8. Oktober 2016: Reb Goldie Milgram bei Ohel Hachidusch


An Schabbat Schuwa / 6. Tischri 5777 hatten wir wieder einen besonderen Gast.
Rabbi Goldie Milgram.
Es begann mit einer Begrüßung in der Remise und ging dann zu einer wunderbaren Meditation ins Botanikum, dem paradiesischen Ort wenige Meter weiter, welcher mit seiner schier endlosen Fülle an gerade noch blühenden Pflanzen und den herbstlich golden werdenden Blättern der umfassenden Bäume durch Reb Goldie Milgrams Mincha Meditation für uns noch einmal in ganz besonderem Licht aufleuchten liess.  Rita Reinicke hat im großen Garten des Gutshofes ein Botanikum gepflanzt, das in die vier Bereiche Judentum, Christentum, Islam und Buddhismus aufgeteilt ist. Dort wachsen Pflanzen, die in den Texten der jeweiligen Religion erwähnt werden. Im jüdischen Teil des Gartens wachsen Salbei, Granatäpfel, Oliven und Wein. Im buddhistischen Bereich steht ein Ginkgo-Baum, im christlichen Teil steht ein Klostergarten mit Heilkräutern nach Hildegard von Bingen und im islamischen Teil wachsen Minze und wunderschöne Damaszener Rosen.
Reb Goldie Milgram aus Philadelphia (USA)hat zahlreiche Bücher zu aktuellen jüdischen Themen geschrieben. Sie ist für uns keine Unbekannte.  Sie hat uns vor 5 Jahren schon einmal hier in der Remise des Gutshofs Gatow besucht und so haben wir uns sehr darüber gefreut, sie wieder bei uns zu begrüßen und von ihr zu lernen. Für die, die sie noch nicht kennen: Rabbi Milgram wurde vom Reconstructionist Rabbinical College ordiniert, sie gründete und leitet Reclaiming Judaism Press und www.ReclaimingJudaism.org, eine Organisation, die u.a. neue Strategien entwickelt, um jüdische Rituale und Mitzwot lebendig zu halten und zu erneuern.
 Photo: www.facebook.com
Rabbi Milgram schrieb mehrere Bücher und erstellte interessante Materialien zu diesem Thema wie ihre Mizwot- Karten, von  denen sie uns eine reichhaltige Auswahl präsentierte. Es wurde wieder ein spannendes und intensives Lernen für uns und wir erfreuten uns sehr an der Mizwa ihrer Zeit, die sie uns gewidmet hat. Unsere Diskussion mit Reb Goldie ging um Mizwot, aber auch um ihr Gegenteil, um das Nicht-Geben-Können, wie sie es uns in der zum Abschluss erzählten Geschichte von Ashley anschaulich erklärte.
Reb Goldie erzählte: Ashley, die mit ihrem geliebten Randy an einem Traumstrand am Golf lebte, war nicht gerade ein rücksichtsvoller Mensch, eher völlig selbstbezogen. Sie ließ gern die anderen ihr schmutziges Geschirr waschen und hielt es auch mit der Wahrheit nicht so genau. Dafür jedoch blamierte sie stets andere, selbst für kleinste Fehler, sogar wenn sie wusste, dass das eigentlich falsch war, Ashley bereute nichts. Sie entschuldigte sich niemals oder tat Teschuwah. Aber jeden Freitag schrieb sie ihre Sünden und Fehler nieder und tat sie dann einfach nur wie Stücke schmutziger Wäsche in eine Tüte.
Für diese Ashley war Taschlish nur eine Gewohnheit, so etwas , was jeder eben so tat, weil das auch die Eltern schon so gemacht haben. Und so trug sie jedes Jahr zu Rosch HaSchanah ihren prall gefüllten Beutel runter zum Fluss für Taschlich. Sie hatte dabei kaum die leiseste Erinnerung an ihre Vergehen, die sie da fortschwimmen ließ. Aber auch für sie gibt es immer noch die Möglichkeit zur Umkehr.  Es ist adaptierte Jonageschichte, die wir da mit Spannung hörten. Rettung kommt oft auf unerwartete Weise. Ashley erkennt endlich, was sie in ihrem Leben versäumt hat.  Sind wir nicht alle mitunter ein wenig wie Ashley?
Diese tiefen Gedanken konnten wir dann weiter bei einem leckeren Mahl, Ritas wunderbarer Suppe und Kuchen und mit den mitgebrachten Speisen bedenken und miteinander teilen. So gingen wir, später am Abend, erfüllt in die neue Woche und waren gut vorbereitet für Jom Kippur.

Text: Romy Koecher