2015_Seder

Unser Seder am 4. April 2015:

Pessach ist das Fest unserer Befreiung aus Mitzrajim, aus der Enge der Sklaverei und aus  der persönlichen Enge.
Pessach  ist aber auch das jüdische Familienfest schlechthin. Die meisten Erwachsenen bekommen glänzende Augen, wenn sie von den Pessachfeiern ihrer Kindheit erzählen. 
An unserer Sedertafel sassen 40 Menschen, darunter viele Gäste, die schon seit Jahren extra zu uns nach Berlin kommen und zehn Kinder. Einige der Kinder fragten gleich nach unserer Spieldecke und freuten sich über die gewohnten und die neuen Spielsachen.
Wir benutzten  auch dieses Jahr wieder die schön illustrierte Haggadah von Michael Shire et al. mit Umschrift. Die Illustrationen sind Facsimile- Reproduktionen mittelalterlicher Handschriften aschkenasischer und sephardischer Herkunft aus der Sammlung der British Library in London.

  

Kantorin Jalda führte uns gewohnt sicher durch die Haggadah. Sie bezog die Kinder und auch die Erwachsenen locker in den Ablauf des in seinen ältesten Anteilen über zweitausend Jahre alten  Seder-Rituals ein.
Während der Lesungen herrschte unter den langen Tischen streckenweise viel Bewegung, wenn Kinder jeglichen Alters um die Beine der Erwachsenen wuselten. Einige von uns, die Lilith noch kannten, sahen sich auf einmal an. Und in diesem Moment dachten alle dasselbe: mit wie viel Rührung Lilith von den Sederabenden ihrer Wiener Kindheit erzählt hat und wie sie  mit ihren zahlreichen Cousins und Cousinen unter dem Tisch herumgekrochen ist. Diese Erinnerung aus einer anderen Zeit hat viele Jahrzehnte überdauert.
Anna und ihr Koch-Team gaben ihr Bestes. Und ihr Bestes ist wirklich das Beste: alles Bio, alles hausgemacht. Und Anna ist nicht nur eine Künstlerin im Umgang mit Farben, Papier und Holz, sondern auch in der Küche. Wie sie die exotischen Gewürze für jeden der vielen Salate abschmeckte, das macht ihr so schnell keiner nach.

  
                      
  
Der Afikoman war raffiniert versteckt. Erst nach langem Suchen fand Jakob ihn, und wir konnten diesen festlichen Abend  mit vielen traditionellen Liedern zum Abschluss bringen. Jakob war natürlich sehr stolz auf seinen Erfolg und er, aber auch alle anderen Kinder, bekamen ihr Geschenk und waren glücklich.

  

Für einen ganz besonderen Abschluss unseres Sederabends sorgte Helen. Sie fuhr noch um Mitternacht mit den übrig gebliebenen Speisen zur Stadtmission am Bahnhof Zoo und erklärte den dort versammelten Obdachlosen in ein paar Worten die Bedeutung von Pessach; ein Fest, das für Freiheit steht. Dann aßen sie  alle gemeinsam. Helens Gäste waren natürlich  von Annas Kochkunst begeistert. Aber zusätzlich beeindruckte sie Helens persönliche Geste, mit ihnen gemeinsam noch ein wenig zu feiern.
"Alle die Mangel leiden sollen kommen und mit uns feiern". So steht es im ersten Satz der Pessach-Haggadah. Helen gab uns die Gelegenheit, unseren Sederabend dieses Jahr mit Chesed und einem Beitrag zu Tikkun Olam abzuschliessen. 
An alle, die uns bei der Vorbereitung und Durchführung dieses festlichen Abends geholfen haben, geht ein herzliches Danke-schön.
Text: Etha Jimenez    Fotos: Anna Adam